Sauerteigführungen

Allgemeines

Abhängig vom Verfahren, schmeckt der eine Sauerteig milder, der andere kräftiger. Die eine Führung bringt weniger Milchsäure, die andere hingegen mehr (zusätzlich zur sowieso vorhandenen Essigsäure). Und der Milchsäuregehalt wiederum ist stark abhängig von der Temperatur. Eine kältere Führung begünstigt die Essigsäure, eine wärmere eben die Milchsäure.

Deswegen wird sich der Charakter des Brotes mit einem anderen Sauerteig auch verändern. Wenn es Ihnen möglich ist, sollten Sie vor einer endgültigen Entscheidung für ein verfahren zumindest mit den zwei oder drei Verfahren, die überhaupt in Frage kommen, Versuche machen. Die meisten Führungen lassen sich zum Test auch in einer Wanne herstellen.

Weinheimer Qualitätssauerteig (WQS)

Die Weinheimer Qualitätsbrotführung ist eine einstufige, rationelle Führung, welche aus der Detmolder Einstufenführung hervorgegangen ist.

Die Reifezeit beträgt mindestens 16 Stunden. Die Verarbeitungstoleranz beträgt mindestens 24 Stunden, wobei der Sauerteig dazu etwas gekühlt werden sollte.

Die Anstellgutmenge betrug ursprünglich zwei Prozent der zu versäuernden Roggenmehlmenge und kann bei den heutigen, enzymschwachen Mehlen auf bis zu zehn Prozent erhöht werden.

Die Teigausbeute wurde ursprünglich mit 180 angegeben, kann aber zwischen 180 und 240 variieren, wobei eine höhere TA bei Schrotsauerteigen anzuraten ist.

Die Sauerteigtemperatur beträgt beim WQS 28 Grad Celsius und sollte im Verlauf der Reifezeit auf 23 Grad abfallen.
Diese Führung ist sinnvoll, wenn man täglich einen Sauerteig ansetzen möchte. Für die Lagerung wird ein klimatisierter Raum empfohlen, damit die Reifezeiten passen.

Detmolder Einstufensauerteig (DEF)

Die Detmolder Einstufenführung schreibt eine Reifezeit von 15 Stunden vor und weist danach eine Verarbeitungstoleranz von neun Stunden auf. Die Anstellgutmenge kann, in Abhängigkeit von der Sauerteigtemperatur, zwischen zwei Prozent bei 28 Grad, fünf Prozent bei 26 Grad und zehn Prozent bei 25 Grad Celsius variieren. Zusätzlichen Einfluss hat der Mineralstoffgehalt des Mehls sowie dessen Enzymaktivität. Mit 8% Starter kann man aber, wenn der schön aktiv ist, nicht viel verkehrt machen.

Die Teigausbeute wird mit 180 angegeben, wobei dieser Sauerteig auch mit einer TA von 200 geführt werden kann.

Die Führung macht genau wie die Weinheimer Variante dann Sinn, wenn man täglich einen Sauerteig ansetzen möchte. Für die Lagerung wird gleichermaßen der klimatisierte Raum empfohlen, um passende Reifezeiten zu erhalten.

Salzsauer

Die Monheimer Salzsauerteigführung ist eine einstufige Führung. Wie beim Berliner Kurzsauerteig, beträgt die Anstellgutmenge 20 Prozent der zu versäuernden Roggenmehlmenge. Die Anfangstemperatur liegt (je nach Umgebungstemperatur) bei 30 bis 35 Grad Celsius und sollte auf 20 bis 25 Grad fallen (was im Sommer nicht immer ganz leicht zu gewährleisten ist). Im Unterschied zur Berliner Kurzsauerteigführung, muss diese Teigtemperatur jedoch nicht konstant gehalten werden. Sie kann im Verlauf der Reifezeit auf eine Raumtemperatur von 20 Grad absinken. Eine Teigausbeute von 200 hat sich in der Praxis bewährt.

Die Besonderheit bei dieser Führung liegt in der Zugabe von zwei Prozent Salz, berechnet auf die Sauerteigmehlmenge (wird natürlich im Hauptteig wieder abgezogen). Die Salzzugabe verzögert die Säurebildung und somit die Reifezeit auf 18 bis 24 Stunden, mit dem gleichzeitigen Vorteil, dass der reife Sauerteig dann eine Verarbeitungstoleranz von bis zu 72 Stunden aufweist. Allerdings sollte er dazu am dritten Tag auf 15 bis 20 Grad Celsius „gekühlt“ werden. Die vergleichsweise lange Verarbeitungstoleranz ist ein Vorteil, der sich besonders am Wochenende auszahlt, wenn der Sauerteig bereits am Samstag für den Montag produziert werden soll.

Die Säuregrade liegen im Mittel zwischen 16 und 20 Sr°. Mit Salzsauerteig hergestellte Brote zeichnen sich durch einen ausgeglichenen, guten Geschmack sowie ein abgerundetes Aroma aus.

Berliner Kurzsauerführung

Die Berliner Kurzsauerteigführung ist das kürzeste Sauerteigverfahren, worauf der Name schon hindeutet. Die Teigtemperatur beträgt über die gesamte Reifezeit konstant 35 Grad Celsius, und die Teigausbeute kann zwischen 190 und 200 gewählt werden. Durch eine hohe Anstellgutmenge sowie eine hohe Teigtemperatur wird eine rasche Säurebildung begünstigt. Die Vermehrung von Sauerteighefen wird bewusst vernachlässigt.

Von den Lactobacillen wird besonders viel Milchsäure produziert und die Essigsäurebildung tritt in den Hintergrund. Mit Berliner Kurzsauerteig hergestellte Brote weisen einen milden, wenig sauren Geschmack auf.

Die Anstellgutmenge beträgt 20 Prozent der Sauerteigmehlmenge. Die Sauerteigtemperatur sowie eine Reifezeit von drei Stunden und 30 Minuten sind unbedingt einzuhalten, um eine ausreichende Säureproduktion (Säuregrade) zu gewährleisten. Falls die Sauerteigtemperatur unvorhergesehen zu niedrig ausfällt, jedoch über 33 Grad Celsius liegt, ist die Reifezeit je Grad Differenz zu den eigentlich erforderlichen 35 Grad um 15 Minuten zu verlängern. So beträgt zum Beispiel die Reifezeit für einen Sauerteig mit 34 Grad  3 Stunden und 45 Minuten.

Aufgrund der schnellen Reifung, bietet der Berliner Kurzsauerteig nur eine kurze Verarbeitungstoleranz und muss innerhalb weniger Stunden verarbeitet werden. Die Berliner Kurzsauerteigführung bietet auf der anderen Seite die Möglichkeit, innerhalb kurzer Zeit viel Sauerteig herzustellen, wenn es einmal zu Engpässen in der täglichen Produktion kommt. Allerdings sollte dann unbedingt berücksichtigt werden, dass die Zugabemenge angepasst werden muss und dennoch der Geschmack des Brotes ein anderer sein wird.

Detmolder Zweistufenführung

Die Detmolder Zweistufenführung wurde aus der klassischen Dreistufenführung abgeleitet. Um die Dreistufenführung rationeller zu gestalten, wurde auf die erste Stufe und somit auf eine Hefevermehrung  verzichtet. Der fehlende Trieb wird durch die Zugabe von Hefe zum Brotteig ausgeglichen.

Die Anstellgut-Menge beträgt zweieinhalb Prozent der zu versäuernden Roggenmehlmenge. Daraus wird ein Grundsauer mit einer TA von 150 geführt, der bei einer Temperatur von 23 bis 27 Grad Celsius eine Abstehzeit von 15 bis 24 Stunden hat.

Darauf setzt die Vollsauerstufe auf, welche bei einer TA von 180 bis 190 geführt wird. Bei einer Temperatur zwischen 28 und 32 Grad Celsius beträgt die Abstehzeit weitere zweieinhalb bis vier Stunden (wobei im Sommer die Gefahr besteht, dass die Temperatur unterdessen zu stark ansteigt). Danach weist die Zweistufenführung eine Verarbeitungstoleranz von drei Stunden auf.

Klassische Dreistufenführung

Die klassische Dreistufenführung, bei welcher der Grundsauer abends bereitet wird und somit über Nacht reift, bietet eine gute Krumenstruktur sowie eine lange Frischhaltung des daraus bereiteten Brotes. Der Sauerteig hat eine sehr geringe Verarbeitungstoleranz Beispielsweise können die Sauerteigstufen wie folgt geführt werden (hier Grundsauer-über-Nacht-Führung):

  • Die erste Stufe, der Anfrischsauer, reift bei einer TA von 200 und einer Temperatur von 25 bis 26 Grad Celsius für sechs Stunden.
  • In der zweiten Stufe (Grundsauer) wird mit einer TA von 160 bei 23 bis 27 Grad Celsius Temperatur weitergeführt, wobei eine Abstehzeit von acht Stunden angestrebt wird.
  • Der  Vollsauer, also die dritte Stufe, steht dann drei Stunden bei einer TA von 190 und einer Temperatur von 30 Grad.

Die Vermehrungshöhe (Zugabe von Mehl und Wasser zu den jeweils weiteren Stufen) errechnet sich nach der Arkady-Regel. Dazu wird der Mehlgehalt einer Stufe bestimmt, indem man den Mehlgehalt der vorhergehenden Stufe mit der Anzahl der Stunden der Reifezeit der jeweiligen Stufe multipliziert.

Um das Verfahren den Gegebenheiten der Produktion anzupassen, kann es entsprechend durch Veränderung der Abstehzeiten angepasst werden. So gibt es ebenso die „Vollsauer-über-Nacht-Führung“, die morgens direkt zur Verarbeitung zur Verfügung steht.

Resümee

Ganz gleich, welche Führung gewählt und welcher Rohstoff verarbeitet wird: Entscheidend für die gleichmäßige Qualität sind in erster Linie die Verwendung eines einwandfreien Anstellgutes und die genaue Einhaltung der vorgegebenen Zeiten und vor allem der Temperaturen. Eine zu niedrige Anfangstemperatur ist auch durch eine längere Reifezeit nicht wieder gutzumachen. Denn das Wechselspiel zwischen Milch- und Essigsäurebakterien und der entstehenden Gesamtsäuremenge ist einfach direkt von der Anfangstemperatur und Anstellgutmenge abhängig.

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